Gemeinschaftsexperiment Spindel-Refraktometer Korrelation

Hintergrund

Wer ein Refraktometer besitzt kann sich das mühsame Messen des Restextraktes mit einer Spindel sparen, da der Spindelwert auch näherungsweise bequem mit zwei schnellen Refraktometerwerten abgeschätzt werden kann. Wichtig ist das Wort "abschätzen", also nicht berechnen, denn die Messung mit Spindel und Refraktometer beruht auf zwei völlig verschiedenen physikalischen Prinzipien: der Dichte einer Zuckerlösung bzw. deren Eigenschaft das Licht zu brechen. Zusätzlich ist noch Alkohol im Spiel der sich unterschiedlich auf Dichte und Brechungsindex auswirkt. Folgende etablierte Formel ist dafür gut brauchbar:

Gleichung 1: Restextrakt = 1,001843 - 0,002318474 · BIa - 0.000007775 · BIa² - 0,000000034 · BIa³ + 0,00574 · BIe + 0,00003344 · BIe² + 0,000000086 · BIe³

Wobei BIa der Brechungsindex in würzekorrigierten Brix (Brix / 1.03) vor (BIa = Anfang) und BIe der Brechungsindex in Brix (unkorrigiert) am Ende (BIe = Ende) der Gärung ist.

Ich weiß, ist ein wüstes Monster von Formel - aber es gibt ja Taschenrechner, Tabellenkalkulation, Online-Brautools (z.B. auf dieser Seite ;)) usw. Der errechnete Restextrakt ist eine Annäherung an den mit einer Spindel gemessenen Restextrakt (der so genannte Scheinbare Restextrakt), aber nicht in °P, sondern in "specific gravity = "SG" = "Spezifische Dichte" (für eine ausführlichere Einführung siehe hier). Woher diese Formel (die so genannte Standardformel) ursprünglich stammt ist mir nicht genau bekannt, sie kursiert jedoch schon seit langem in der Hobbybrauwelt. Die Spezifische Dichte muss/kann noch für den deutschen Geschmack in °P umgerechnet werden und fertig (dazu gibt es auch eine Formel, aber das ist nicht Bestandteil dieses Experiments).

Neben der Standardformel hat der amerikanischer Hobbybrauer und Blogger Sean Terrill eine alternative Formel vorgestellt (Lineare Terrill-Formel), welche im Vergleich zur bekannten Standardformel die Spindelwerte genauer widergeben soll:

Gleichung 2: Restextrakt = 1,0000 – 0,00085683 · BIa + 0,0034941 · BIe

Wobei hier sowohl BIa als auch BIe in würzekorrigierten Brix (Brix / 1.03) verwendet werden. Sean Terrill hat die Genauigkeit seiner Formel zwar experimentell und mit Daten von zahlreichen US Hobbybrauern belegt - aber ich bin von Natur aus skeptisch. Darum hatte ich vor einiger Zeit begonnen Datensätze von Hobbybrauern zu sammeln und damit Standardformel und Lineare Terrill-Formel direkt zu vergleichen. Das Ganze ist also ein Gemeinschaftsprojekt und ich bin auf eure Daten angewiesen! Jeder Hobbybrauer der über ein Refraktometer und eine Spindel verfügt kann mitmachen - je mehr desto besser. Benötigt werden die zwei Refraktometerwerte - jeweils vor und nach der Gärung - sowie der Spindelwert am Ende der Gärung. Bei der Messung des Spindelwertes sind einige Punkte zu beachten. Dazu sei hier Earl's Beitrag (Antwort 29) in diesem Thread sinngemäß zitiert:

Das endvergorene Bier muss vor dem Spindeln entgast werden:

  • die Probe sollte direkt der Gärung oder Flasche/Fass entnommen werden,
  • die Probe sollte unmittelbar nach der Entnahme entgast und gemessen werden, ohne zuvor noch lange Zeit offen herumgestanden zu haben,
  • entgase niemals mittels Hitzeeinwirkung,
  • am besteen entgast man durch kräftiges schütteln der Probe und lässt sie anschließend durch einen trockenen und sauberen Papierfilter oder ähnliches laufen,
  • die entgaste Probe auf 18 - 22°C temperieren.
  • Beim Spindeln ist zu beachten:

  • für den zu erwartenden Messwert die richtige Spindel auswählen. Für Endvergorenes z.B. die Bierwürzespindel 0-7/0,1,
  • die Spindel auf Schäden untersuchen (Sichtkontrolle des Glaskörper und der Skala),
  • der Spindelzylinder ist nach Möglichkeit randvoll mit der entgasten Probe zu füllen,
  • nachdem die Spindel in die entgaste Probe eingetaucht ist, muss sie in kräftige Rotation versetzt werden um anhaftende Gasblasen zu entfernen,
  • kurz danach wird die Rotation gestoppt und sofort abgelesen, nach Möglichkeit unter Hinzunahme einer Lupe,
  • Spindeln sind entweder oben (Aufdruck "Ables. oben") oder unten (Aufdruck "Ables. unten") abzulesen. Dies muss beachtet werden,
  • bei Obenablesung die Spindel immer am oberen Konusrand ablesen,
  • der abgelesene Wert muß auf 20°C temperaturkorrigiert werden.
  • Eure Datensätze sollten der Transparenz wegen im Hobbyrauer-Forum unter diesem Thread veröffentlicht werden (also bitte nicht an mich direkt schicken). Ich werde die Daten dann zusammentragen und auswerten und in diese Libre/Open Office-Datei einpflegen, die sich jeder herunterladen kann. Bisher liegen schon insgesamt 22 Datensätze von 10 verschiedenen Hobbybrauern vor. Und so sieht's bisher aus:

  • Mittlere Abweichung vom Spindelwert:
    Im Vergleich zum Spindelwert weisen Standardformel und Lineare Terrill-Formel einen mittleren absoluten Fehler von 0.45°P bzw. 0.26°P auf.
  • Präzision:
    Bei 16/22 (=72.7%) bzw. 19/22 (=86.4%) Datensätzen (Standardformel bzw. Lineare Terrillformel) liegt die Abweichung des berechneten Werts vom gespindelten Wert ≤0.5°P, bei 11/22 (=50.0%) bzw. 15/22 (=68.2%) Datensätzen ≤0.2°P.
  • Graphisch zeigt sich die Datenlage folgendermaßen:

    Aber die Datenbasis ist natürlich noch sehr gering. Sean hat mehr als 60 Datensätze zusammengetragen - also macht mit!

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