How to make your W34/70 run like Schmitz' Katze?

Sandro Wolf, 8.5.2020

1. Einführung

Trockenhefen werden, wie der Name nahelegt, vom Hersteller durch den Entzug von Wasser (Dehydrierung) in eine relativ stabile und haltbare Form überführt und sind so über Wochen und Monate, teilweise Jahre ohne substantiellen Verlust an Vitalität lagerfähig. Aus diesem Grund und wegen des relativ günstigen Preises sind sie sowohl in der Hobbybrauerwelt als auch im kommerziellen Bereich äußerst beliebt. Bekannte Vertreter sind u.a. die Hefestämme S-23, W34/70 oder Diamond Lager (untergärig) oder die legendäre Nottingham ("Notti") oder S-04 (beide obergärig). Für eine ausführlichere Übersicht erhältlicher Trockenhefen ist z.B. diese Seite sehr zu empfehlen: "Die Müggelland-Brauerei: Zutaten - Hefe"

Im Allgemeinen wird empfohlen die Trockenhefe entweder direkt auf die Würze zu streuen oder die Trockenhefe unmittelbar vor der Verwendung durch Zugabe einer bestimmten Menge sterilem Leitungswassers vorsichtig zu rehydrieren, um der Hefe die Gelegenheit zu geben sich strukturell auf den bevorstehenden harten Job vorzubereiten. Das Ziel ist es, am Ende eines langen Brautages die Hefe so fit wie irgend möglich in die anstehende Gärung zu geben, also wollen wir an diesem sensiblen Punkt nichts falsch machen. Von Herstellerseite werden von einfach zu kompliziert z.B. folgende Empfehlungen zu untergärigen Trockenhefen gemacht:

  • Trockenhefen benötigen keine Rehydrierung, für optimale Ergebnisse Hefe in der 10-fachen Menge Wasser (20-25°C) für 8-12 min vorsichtig verrühren und direkt zur Würze geben (Mangrove Jack's Anleitung für untergärige Trockenhefen)
  • Trockenhefe in sterilem Wasser (24-30°C) rehydrieren, nach 30 min ist die Hefe einsatzfähig (Info auf den Päckchen der Gozdawa W34/70)
  • Trockenhefe in etwa 10-facher Zucker‐ oder Würzemenge bei (25‐30°C) suspendieren und 60 min quellen lassen, gelegentlich umrühren bzw. Gefäß schwenken (Datenblatt Firma Erbslöh, BrewMasters German Classic W34/70)
  • Trockenhefe auf die 10-fache Menge sterilem Wasser (20-26°C) aufstreuen und vorsichtig unterrühren, nach 30 min ist die Hefe einsatzfähig (Datenblätter Saflager W34/70 und S-23)
  • Trockenhefe auf die 10-fache Menge sterile Würze (2-6°P) oder Wasser (25-30°C) aufstreuen, nach 15 min kurz rühren; nach weiteren 5 min (Wasser) oder bis zu 45 min (Würze, 2-6°P) Hefe unmittelbar verwenden; zudem ist es ratsam die Hefe durch Zugeben kalter Würze schrittweise auf Gärtemperatur zu bringen; dabei ist darauf zu achten, dass die Temperaturspünge max. 10°C betragen, da größere Temperaturdifferenzen zur Ausbildung von Hefemutanten und dadurch zu unvollständiger Gärung und ggf. Fehlgeschmäckern führen können (Datenblatt LalBrew Diamond Lager)
Es ist also alles dabei: direkt auf die Würze streuen oder vorher 8 bis 60 min in 20-30°C warmem Wasser, Zuckerlösung oder Würze mit niedrigem Extraktgehalt rehydrieren und dann (oder auch nicht) die Hefesuspension schrittweise (allerdings nicht mehr als 10°C Temperaturdifferenz) auf Gärtemperatur bringen. Es scheint also eine Vielzahl sich teilweise widersprechender Empfehlungen zu geben. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass eine direkt auf die Würze gestreute Trockenhefe am schlechtesten und das für die Diamond Lager beschriebene Vorgehen am besten abschneiden würde. Stellt sich natürlich die Frage wie schlecht - falls überhaupt - ist schlecht und wie gut schneiden dem gegenüber die sanfteren Methoden mit rehydrierter und schrittweise temperierter Hefe ab? Versuch macht kluch!

2. Material und Methoden

Je 200 mg Fermentis Saflager W34/70 Trockenhefe (MHD 09/2022, 28 Monate zum Zeitpunkt des Versuchs) wurden mit einer Kern 444-33 Feinwage (Genauigkeit 0.01 g) in 10 sterile Glasröhrchen (10 ml) mit Metallkappe eingewogen (Abbildung 1) und bis zum Beginn des Experiments (<12 h) im Kühlschrank aufbewahrt.

Abbildung 1: Einwiegen der Trockenhefe in sterile Glasröhrchen

Eine Testwürze aus hellem Trockenmalz (Muntons Spray Malt light), Magnum Hopfen (etwa 30 IBU) und einer Messerspitze Wyeast Hefenahrung wurde mit sterilem Leitungswasser auf 13 Brix eingestellt und mittels eines 250 ml Messzylinders heiß in Aliquots à 180 ml in zehn sterile 250 ml Gläschen gefüllt. Die Gläschen wurde im Wasserbad auf Raumtemperatur abgekühlt und im Kühlschrank in einem Wasserbecken weiter auf 12°C gekühlt (Abbildung 2). Die Temperatur des Kühlschranks wurde mit einem Inkbird ITC 308 kontrolliert, wobei der Temperaturfühler sich im Wasserbecken befand. Das Thermometer des Inkbird wurde vorher mit einem in Eiswasser kalibriertem Greisinger GTH 175/Pt Thermometer mit Pt-1000 Fühler gegenkalibriert. Die Hysterese im Inkbird wurde auf 0.3°C eingestellt. Der beobachtete tatsächlich gemessene Temperaturbereich lag trotz dieser Einstellungen am Inkbird bei 11.0 bis 12.3°C. Allerdings wurde die Temperaturhomogenität im Wasserbecken über den Versuchszeitraum an verschiedenen Punkten regelmässig überprüft, wobei keine Inhomogenitäten im Bereich um die Gläschen feststellbar waren.

Abbildung 2: Testgläschen mit Würze bei 12°C im Wasserbad im Kühlschrank

Folgende fünf Versuchsanordnungen (jeweils als Parallelansatz) wurden durchgeführt:

  1. 200 mg Trockenhefe aus dem Röhrchen vorsichtig direkt auf die Würze gestreut und nach 30 min untergerührt
  2. die im Röhrchen befindliche Hefe wurde mit 2 ml sterilem Wasser versetzt und bei 12°C für 30 min im Wasserbad inkubiert
  3. die im Röhrchen befindliche Hefe wurde mit 2 ml sterilem Wasser versetzt und bei 12°C für 60 min im Wasserbad inkubiert
  4. die im Röhrchen befindliche Hefe wurde mit 2 ml sterilem Wasser versetzt und bei 24°C für 30 min im Wasserbad inkubiert
  5. die im Röhrchen befindliche Hefe wurde mit 2 ml sterilem Wasser versetzt und bei 24°C für 30 min im Wasserbad inkubiert und unmittelbar darauf mit 2 ml Würze (13 Brix) versetzt und die Temperatur des Wasserbads durch Zugabe kalten Wassers schrittweise auf 20 bzw. 16°C gesenkt; zwischen den zwei Temperatursprüngen wurde die Temperatur des Wasserbades bei der entsprechenden Temperatur jeweils für 10 min gehalten
Die fünf verschiedenen Parallelansätze wurden gewählt, um folgende vier Fragen zu klären:
  1. Wie verhält sich direkt auf die Würze gestreute Hefe gegenüber in Wasser rehydrierter Hefe? (Ansatz Würze vs. alle anderen Ansätze)
  2. Welchen Einfluss hat die Temperatur auf die Qualität der Rehydrierung? (Ansatz 12°C vs. 24°C für 30 min in Wasser rehydriert)
  3. Welchen Einfluss hat die Zeit auf die Qualität der Rehydrierung? (Ansatz 12°C für 30 min vs. 12°C für 60 min in Wasser rehydriert)
  4. Hat nach abgeschlossener Rehydrierung ein gestuftes Absenken der Temperatur in niedrig konzentrierter Würze einen weiteren Vorteil? (Ansatz 24°C in Wasser rehydriert und direkt angestellt vs. danach im Wasserbad in Würze für je 10 min bei 20 und 16°C gerastet)
Die Hefesuspensionen wurden nach der vorgesehenen Rehydrierungszeit mittels steriler Einwegpasteurpipette in die Würze (12°C) in den Gläschen vollständig überführt und die Röhrchen nochmals mit Würze gespühlt. Die Dosierung der Trockenhefe entsprach mit 0.2 g / 180 ml ( = 110 g / hl) den Empfehlungen des Herstellers für diesen Temperaturberich (80 - 120 g / hl). Die Gläschen wurden nach Anstellen kurz vorsichtig geschwenkt und unmittelbar die erste Messung des Extrakts mittels eines Handrefraktomers (ARCARDA REF112 ATC 0-18 Brix mit 0.1 Brix Skala) durchgeführt. Im weiteren Verlauf der Gärung wurde die Brechungsindices der einzelnen Biere in Abständen von etwa 12 h (Tag 0 bis 8) bzw 24 h (Tag 9 bis 11) bestimmt. Nach Abschluss der Gärung wurde der pH-Wert der einzelnen Ansätze mittels eines Apera pH60 pH-Meter (Genauigkeit pH ± 0,01) gemessen.

3. Ergebnisse und Diskussion

Je 180 ml frisch hergestellte Bierwürze aus hellem Trockenmalz und Magnum Hopfen wurde in zehn Gläschen aliquotiert. Die Würzen wurden daraufhin mit Saflager W34/70 Trockenhefe, welche in fünf verschiedenen Verfahren in Doppelbestimmung vorbehandelt/rehydriert wurde, angestellt und bei etwa 12°C (11-12.3°C) vergoren und der Gärverlauf über die Abnahme der Brechungsindices in den Gläschen dokumentiert (Abbildung 3). Die einzelnen Messwerte sind zudem als Libre-/Open Office-Datei hier zu finden.

Abbildung 3: oben) Gärverlauf der Testwürzen über einen Zeitraum von 11 Tagen; unten) detailierter Gärverlauf der Testwürzen über die ersten 70 h, mit polynomialer (quadratischer) Regressionskurve; die Zeiten bis zu einer Abnahme der Stammwürze um 2% (etwa 12.74 Brix) sind mit gestrichelten Pfeilen dargestellt); die einzelnen Datenpunkte sind jeweils arithmetische Mittelwerte aus zwei Parallelansätzen
Der Brechungsindex der Würze lag in den einzelnen Gläschen zu Beginn des Versuches zwischen 13 und 13.1 Brix (etwa 12.5 - 12.6°P). Für alle Ansätze zeigte sich ein klassisch sigmoidaler Verlauf des Extraktabbaues: lag-Phase, also der Zeit, die die Hefe braucht, um sich an die Bedingungen in der Würze anzupassen, gefolgt von einem immer schneller verlaufendem Extraktabbau und schließlich einer Verlangsamung der Gärgeschwindigkeit mit anschließendem Ende der Gärung (kein weiterer Extraktabbau). Bei allen Ansätzen, außer denen mit direkt aufgestreuter Würze, dauerte dieser Prozess in etwa 175 - 220 h (etwa 7 bis 9 Tage), während die Direktwürzeansätze dafür etwa 240-264 h (11 Tage) benötigten. Interessanterweise gab es keinen Unterschied in den erzielten Endvergärungsgraden, welche in allen Fällen zwischen 80 und 81% lagen (scheinbarer Endvergärungsgrad, ermittelt mit der Terrill-Formel, Daten nicht gezeigt). Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den pH-Werten der endvergorenen Biere wider, welche über alle Ansätze zwischen 4.63 und 4.68 lagen (Daten nicht gezeigt). Auch hier hätte man ggf. deutlichere Unterschiede erwarten können, zumindest im Vergleich der Biere mit direkter Hefezugabe zur Würze zu den anderen Ansätzen (Arbeitshypothese: geringer ausfallender pH-Sturz mit einhergehendem niedrigen Endvergärungsgrad bei den Direktwürzeansätzen). Die erzielten Endvergärungsgrade lagen mit >80% am oberen Ende dessen, was die W34/70 erfahrungsgemäß zu leisten vermag und sind möglicherweise auch durch die Verwendung von Trockenmalzpulver zu erklären, dessen Zuckerzusammensetzung und dem Anteil vergärbarer Zucker unbekannt ist.

In der Angärphase zeigten sich allerdings deutliche Unterschiede. Betrachten wir die ersten 70 h der Gärung (Abbildung 3 unten) und wählen willkürlich 2% Rückgang im Brechungsindex zum Zeitpunkt 0 (etwa 12.74 Brix) als Marker für eine an Fahrt aufnehmende Gärung, dann zeigen sich deutliche Differenzen in den einzelnen Ansätzen: die zwei Ansätze, die mit Hefe angestellt wurden, die bei 24°C rehydriert und deren Temperatur anschließend gestuft abgesenkt wurde, benötigten im Mittel nur 22 h um den Brechungsindex auf diesen Wert zu senken. Die direkt mit 24°C rehydrierter Hefe angestellten Würzen benötigten dafür immerhin etwa 32 h, also die 1.45-fache Zeit, auch wenn dieser Rückstand zu einem späteren Zeitpunkt (etwa nach 100 - 120 h Gärung) vollständig aufgehoben wurde. Die Würzen mit 12°C für 30 und 60 min rehydrierter Hefe benötigten 36 bzw. 37 h. Direkt auf die Würze gestreut benötigte die Hefe etwa 40 h, also fast doppelt so lang wie die Hefe, welche bei 24°C für 30 min rehydriert und dann stufenweise auf Gärtemperatur gebracht wurde. Die verbreitete Erklärung für diese Verzögerung ist, dass der direkte Kontakt der dehydrierten Hefezelle mit der Würze schädlich für diese ist, da sie zu Beginn nicht kontrollieren kann welche Substanzen (Hopfen, Zucker oder potentiell toxische Bestandteile der Würze) die Zellwand passieren oder nicht. Die vollständig rehydrierte Hefezelle kann im Gegensatz dazu selektiv diese Transportprozesse steuern und kontrollieren. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen ob dieser Erklärungsversuch tatsächlich korrekt ist, aber am Ende ist dies auch eher eine akademische Fragestellung.

Auch die Temperatur der Rehydrierung hatte einen markanten Einfluss auf den Verlauf der Gärung, insbesondere bzgl. dem Einsetzen der Gärung. Der gewählte Temperaturunterschied von 12°C vom vermeintlichen Optimum (24°C) ist zugegeben extrem, zeigt aber in welche Richtung eine nach unten zu niedrig gewählte Rehydrierungstemperatur im schlimmsten Fall gehen kann. Geringere Abweichungen nach unten, z.B. 20 oder 22°C haben vermutlich eine geringere Auswirkung auf den Gärbeginn.

Um den Einfluss der Dauer der Rehydrierung zu überprüfen wurden für die 12°C-Ansätze zwei Rehydrierungszeiten, 30 und 60 min, gewählt. Es zeigten sich, wie oben beschrieben, sowohl im Endvergärungsgrad als auch in der Dauer der Angärphase, nur minimale Unterschiede. Das Einsetzen der Gärung verzögerte sich um rund 1 h im Vergleich 30 min und 60 min Rehydrierung. Im Nachhinein mag es seltsam erscheinen, warum zur Überprüfung des Zeiteffektes gerade die 12°C Temperaturstufe gewählt wurde und nicht die 24°C Temperaturstufe, aber die usprüngliche Arbeitshypothese war, dass sich die langsamer ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse bei einer Rehydrierungstemperatur von 12°C teilweise oder vollständig durch eine längere Einwirkzeit kompensieren lassen - was sie offensichtlich, wenn überhaupt, nur in geringem Maße taten. Bei 24°C könnten diese Prozesse anders ablaufen und der zeitliche Effekt könnte dadurch eine größere Bedeutung erlangen. Leider konnte dies mit dem gewählten experimentellen Setup nicht überprüft werden. Die Tatsache, dass die Hersteller von Trockenhefen ein und des selben Hefestammes (W34/70) Zeiten von 30 bis 60 min oder generell über alle untergärigen Hefestämme von 8-60 min einräumen, könnte allerdings ein Hinweis darauf sein, dass diesem Aspekt nicht zwingend eine entscheindende Rolle zukommt.

Die Ansätze, welche bei 24°C für 30 min rehydriert und dann nach Würzezugabe stufenweise auf Gärtemperatur gebracht wurden, erzielten die kürzesten Zeiten was die Angärphase betrifft. Die Glasröhrchen wurden im Wasserbad schrittweise auf 20 und weiter auf 16°C gekühlt und jeweils für 10 min bei dieser Temperatur gehalten. Es ist nicht klar, wie schnell die Kerntemperatur der Würze-Hefesuspension dabei abgesunken ist. Das Volumen der Suspension war allerdings mit etwa 4 ml hinreichend klein, um eine rasche Abkühlung zu ermöglichen. Mit größer werdenden Volumina wird der Temperaturausgleich zwischen Wasserbad und der Würze-Hefesuspension allerdings immer langsamer von statten gehen. Eine Lösung für dieses Problem ist die Zugabe von kalter Würze mit definiertem Volumen und Temperatur. Der Temperaturabfall wäre dabei unmittelbar und es müsste nur noch das Wasserbad auf die gleiche Temperaturstufe gebracht werden. Weiterhin kann aus den Daten nicht abgeleitet werden, ob der zeitliche Vorteil in der Angärphase tatsächlich vollständig durch das gestufte Absenken der Temperatur zu erklären ist oder welchen Beitrag die zusätzliche Inkubation für 2 x 10 min in verdünnter Würze (Extrakt nach Vermischen mit der rehydrierten Hefe etwa 6.5 Brix) dazu geleistet hat. Wahrscheinlich spielen beide Punkte eine gewisse Rolle auch wenn weitere Experimente hier mehr Klarheit liefern könnten.

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die richtige Verwendung von Trockenhefe, insbesondere von untergärigen Stämmen, ist ein vieldiskutiertes Thema in Hobbybrauerkreisen. Viele der Erfahrungen, welche diesbezüglich kommuniziert werden sind dabei teilweise anekdotisch und wenig evidenzbasiert und harte Zahlen fehlen oft (wie schlecht ist schlecht?). Das vorgestellte Experiment diente dazu die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren näher zu beleuchten, wobei teilweise bewusst extreme Bedingungen (z.B. Rehydrierung in 12°C kaltem Wasser) gewählt wurden. Für direkt auf die Würze gestreute Saflager W34/70, konnte unter den angeführten Bedingungen (12°C, 12.5°P Würze, etwa 30 IBU) interessanterweise kein herabgesetzter Endvergärungsgrad oder geringer ausfallender pH-Sturz beobachtet werden. Allerdings war die Gesamtdauer der Gärung und vor allem auch die Angärphase im Vergleich zu in Wasser rehydrierter Hefe teilweise deutlich verlängert. Eine verlängerte Angärphase erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bakterielle Kontaminanten, wie z.B. Lactobacillus brevis, Pediococcus damnosus oder Megasphaera spp. u.a., einen Fuß in die Tür bekommen, was wiederum zur Ausbildung von Fehlgeschmäckern führen könnte (wobei im konkreten Fall die Biere nicht eingehend sensorisch bewertet wurden). Aus diesem Grund sind verlängerte Angärphasen unbedingt zu vermeiden. Durch Rehydrieren der Hefe in der zehnfachen Menge sterilem Leitungswassers bei 24°C konnten diese Nachteile teilweise kompensiert werden, allerdings war auch hier die Angärphase im Vergleich zum Ansatz mit rehydrierter und schrittweise in verdünnter Würze auf Gärtemperatur gebrachter Trockenhefe noch deutlich verlängert. Letzteres Verfahren kann, zumindest für die W34/70, auf Basis dieses begrenzten Experiments zunächst als Goldstandard betrachtet werden. Ob sich andere untergärige Trockenhefen ähnlich verhalten ist zwar spekulativ, kann jedoch zumindest als wahrscheinlich gelten.

Packen wir abschließend die im Experiment gewonnenen Erkenntnisse in ein praktisches Verfahren für uns Hobbybrauer (wir arbeiten ja nicht mit Glasröhrchen und Feinwaagen), dann kann z.B. folgende Anleitung dazu dienen das beste aus einem Päckchen W34/70 oder auch anderen untergärigen Trockenhefen zu holen:

  1. pro Päckchen Trockenhefe 50 ml kurz abgekochte Vorderwürze in einem sterilen Gefäß abkühlen und im Kühlschrank bis zur Verwendung aufbewahren; die Vorderwürze wird in den allermeisten Fällen eine Temperatur von 4-8°C und einen Extraktgehalt von etwa 15-25°P haben, das genaue Messen kann jedoch entfallen
  2. pro Päckchen Trockenhefe 110 ml steriles Leitungswasser (unabhängig davon ob das Hefepäckchen 6, 10 oder 11,5 g Hefe enthält) in einer sterilen Flasche oder Erlenmeyerkolben vorlegen und diese in einem Wasserbad (a.k.a. großer Topf, siehe Abbildung 4) über mindestens eine halbe Stunde auf 24°C temperieren (stellt sicher das sich die Temperatur im Wasserbad und in der Flasche bzw. Erlenmeyerkolben vollständig angeglichen haben); das Einstellen der Temperatur im Wasserbad am besten nicht (!) über die Herdplatte, sondern durch Zugeben von kaltem bzw. warmen Wasser aus dem Hahn realisieren, da genauer und schneller
  3. Trockenhefe etwa 45 min vor dem geplanten Anstellen in das sterile Leitungswasser streuen und ggf. vorsichtig Mischen und 30 min im Wasserbad bei 24°C rehydrieren (ggf. nach 15 min nochmals vorsichtig mischen)
  4. nach 30 min die kühlschrankkalte Vorderwürze vorsichtig und unter Schwenken in das Gefäß mit der rehydrierten Hefe überführen und nochmals kräftig schwenken; dies resultiert rechnerisch in einer Temperatur von 17-18°C (also ein Temperatursprung von 6-7°C) und einem Extraktgehalt von 4-7°P, auch hier: Nachmessen nicht nötig
  5. durch Zugeben von kaltem Leitungswasser das Wasserbad ebenfalls auf 17-18°C senken und die Hefe-Würzesuspension für weitere 10-20 min bei dieser Temperatur halten; in dieser Zeit kann die Hefe den ersten Temperatursprung verkraften und sich schon mal an die Bedingungen der Würze gewöhnen
  6. Anstellen bei 11-12°C (erneuter Temperatursprung um 5-7°C)
Abbildung 4: Temperiertes Wasserbad zur Rehydrierung von Trockenhefe
Falls z.B. bei BIAB keine Vorderwürze im klassischen Sinn produziert wird, kann nach Trennen des Trebers von der Würze statt der Vorderwürze auch die dünnere Würze verwendet werden. Der resultierende Extraktgehalt liegt dann rechnerisch statt bei 4-7° bei 3-5°P, also nur geringfügig niedriger (der Temperatursprung ist natürlich der gleiche). D.h., das beschriebene Vorgehen ist relativ robust gegenüber Abweichungen sowohl im Extraktgehalt der Vorderwürze/Würze als auch der Temperatur des Kühlschrankes (4-8°C).

Viel Erfolg beim Ausprobieren und Happy brewing!